Liebe LeserInnen,
anlässlich eines Beratungsgespräches mit einer besorgten Mutter haben wir uns bei youtube ein paar Clips angesehen, die uns sehr entsetzt und empört haben. Wir möchten Sie teilhaben lassen an unseren Gefühlen und dokumentieren, was wir unternehmen.
Herzlichst
Thomas Grellner und Gabi Gossow-Look
Hey Caillou Du warst mal richtig cool
Lieber Caillou, ich mache mir Sorgen! Du warst mal richtig cool, also nicht im Sinne von harter Kerl oder so. Du warst nett, einfach total nett. Ja natürlich auch ein bisschen langweilig, dein größtes Problem war es, wenn mal eine Eiskugel runtergefallen ist oder du Angst hattest eine steile Wasserrutsche zu benutzen. Aber hey, das war ok, denn du bist eine Comicfigur für Kleinkinder und erlebst Abenteuer aus deren Perspektive und darin warst du richtig gut! Vor kurzem habe ich aber deine andere, deine neue Seite gesehen. Du säufst, kiffst und knallst mit deinem Maschinengewehr auch schon mal die Nachbarskinder über den Haufen. Danach hast du dann, so versprechen es die Videotitel auf Youtube, Sex mit Rosi (2 Jahre alt) im Hochbett, lutscht Schwänze oder läufst durchs Haus und schreist „Ficken, Penislecken, Halts Maul“. Zur Erholung gibt’s für dich und Rosi dann später ein Eis in Penisform, das ihr vier und zwei Jahre alten Geschwister dann freudig vor euch hin schleckt.
Ich frage mich wie bist du auf diese Bahn gekommen? Wer hat dir das angetan?
Liebe LeserInnen, der Brief an Caillou ist natürlich nicht ganz ernst gemeint, wohl aber ist es der Grund aus dem er entstanden ist. Aus Sorge um Kinder, wie den Jungen, der vor kurzem in seiner Nachmittagsbetreuung auffällig wurde, weil er sexualisiertes Verhalten zeigte und Schimpfwörter und Ausdrücke kannte, welche für einen Zehnjährigen durchaus ungewöhnlich sind. Seinen Angehörigen hatte er später erzählt, das habe er von eben jenem harmlosen Caillou, den er sich auf der Videoplattform You-Tube angesehen hätte. Aber, es war natürlich nicht einfach „Caillou“, wie die Familie AVALON später in der Beratung berichtete, sondern die sogenannte „Caillou-Verarsche“. Eine auf der ursprünglichen Sendung basierende Verdrehung ins derb vulgäre, bis kinderpornografische, wie es sie auf You-Tube auch für andere Serien, gerade auch Kinderserien gibt. „Angelo oder Phineas und Ferb“ müssen auch herhalten, wenn vermeintliche Spaßvögel mit einfachsten Mitteln den Ton und die Bilder der Originale verändern und Schimpfwörter, fremde Gesichter, Waffen und auch Geschlechtsteile hineinschneiden.
Einige Jugendliche und junge Erwachsene mögen solche Videos nicht als Problem ansehen und mit anderen gelungenen Parodien beliebter Serienfiguren vergleichen, vielleicht sind sie manchem zu derb oder schlichtweg zu blöd, aber eine Gefahr sehen sie darin nicht.
Für Kinder jedoch ist es ein weitaus schwierigeres Erlebnis, den Serienhelden, mit dem sie sich vor zwei oder drei Jahren noch identifiziert haben, in solchen Situationen zu erleben. Das Gesehene und Gehörte überfordert, belastet und fasziniert sie zugleich. Nicht selten reagieren sie damit, die Schimpfwörter oder gar die Handlungen an Anderen auszuprobieren, oft in der stillen Hoffnung von Erwachsenen eine Rückmeldung, eine Einordnung des Unverständlichen zu provozieren. Ist es erstmal zu einem erheblichen Vorfall gekommen, etwa von zwei Nachbarskindern die gegenseitig Oralverkehr nachgespielt haben, kommt es natürlich auf eine angemessene ruhige Reaktion der Erwachsenen an. Allerdings kann auch das beste Umfeld nur sehr schwer die Stigmatisierung und eventuell folgende Ausgrenzung der auffällig gewordenen Kinder auffangen.
Sicherlich betonen die Macher und auch Außenstehende, die Videos seien nicht für Kinder gemacht und selbst Schuld wer seinen Kindern einen unkontrollierten Netzzugang gewährt. Aus der Sicht von AVALON ist klar gesagt:
Zu kurz gedacht und die Schuld rumgedreht!
Eltern und Kinder hier alleine zu lassen ist fahrlässig. Vielmehr müssen auch von Seiten der Betreiber*innen von Internetseiten Anstrengungen unternommen werden, Kinder und Jugendliche vor unangemessenen Inhalten zu schützen. Auch für Supermärkte ist es vorgeschrieben, zu kontrollieren wer etwa Wein und Tabak bei ihnen kauft. Kinder- und Jugendschutz lebt nicht nur von der selbstverständlichen Aufmerksamkeit der Eltern, sondern auch von der Verpflichtung der Anbieter potentiell schädlicher Inhalte. Bis jetzt verhalten sich die Internetkonzerne zu oft noch, wie Ladenbesitzer, die zwar den teuren Schnaps mit Alarmsicherungen vor Diebstahl schützen aber an der Kasse keine Ausweise kontrollieren! Der Hintergrund ist klar, der eigene wirtschaftliche Erfolg spielt die erste Geige, Jugendschutz kommt weit dahinter. Man denke nur an den Aufwand, der bei Urheberrechtsverletzungen betrieben wird!
Im konkreten Fall hat AVALON, neben der Beratungsarbeit für die Betroffenen, folgendes unternommen:
- Wir haben uns bei „You-Tube“ auf die Suche nach Beschwerdemöglichkeiten gemacht. Doch leider ist für die Nutzung der auf der Videoseite im Menü versteckten Meldefunktion eine verbindliche Anmeldung für den, ansonsten frei und unkontrolliert zugänglichen Dienst nötig!!! Von der, scheinbar nicht funktionierenden Auslagerung des Jugendschutzauftrages an die Öffentlichkeit einmal abgesehen.
- Dann haben wir versucht You-Tube per Mail zu erreichen, doch leider führt die Suche nach einer Email-Adresse oder einem Kontaktformular, über Seiten wie „häufige Fragen“, „allgemeine Hinweise“ „Fragen stellen im Forum“ im Kreis, ohne je einen konkreten Kontaktweg anzubieten. Anfragen an die im Impressum genannte Email-Adresse oder den Pressekontakt werden, mit allgemeinen Hinweisen abgespeist.
Schließlich hat AVALON sich mit einer Beschwerde an die „FSM“ (Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter) gewandt und aufgefordert, You-Tube zur Löschung der entwicklungsgefährdenden Inhalte aufzufordern.
Erfreulich war die wirklich sehr zeitnahe Rückmeldung der Selbstkontrollestelle, wohingegen die Antwort auf die Beschwerde nicht zufriedenstellen konnte. You-Tube sei seiner gesetzlichen Verpflichtung zumindest insoweit nachgekommen, als dass die besagten Inhalte mit einer Markierung „ab 18“ versehen sind und somit von, auf den Rechnern der Nutzer installierten Jugendschutzprogrammen geblockt würden.
Glücklich sind wir mit dieser Antwort natürlich nicht und haben in einer weiteren Nachricht gegenüber der FSM betont, dass es praxisfremd ist davon auszugehen, dass Kinder und Jugendliche nur von entsprechend gesicherten Geräten aus auf das Internet zugreifen. Ebenso dass wir im Fall einiger Caillou-Videos davon ausgehen, dass die Grenze zur Kinderpornografie deutlich überschritten ist, etwa wenn Caillou beim Oralverkehr dargestellt wird.
Die FSM hat uns versprochen diese Vorwürfe zu prüfen.
Wir bleiben dran und informieren Sie zum weiteren Verlauf!
Die FSM hat uns versprochen diese Vorwürfe zu prüfen und wir warten derzeit noch auf Rückmeldung, über die wir an dieser Stelle gerne informieren werden.